‚Ich flüchte auch – nach innen!‘ – über die letzte Zuflucht

Die Geschichte vom Zenmeister, der bei einem Erdbeben gelassen bleibt - wohin willst du rennen, wenn die Erde bebt?
Ich flüchte auch – nach innen!

Einmal wurde ein Zen-Meister zu einem Treffen eingeladen. Ein paar Freunde saßen miteinander und aßen gemeinsam, als plötzlich ein Erdbeben geschah. Das Haus, in dem sie saßen, war sieben Stockwerke hoch und sie befanden sich im obersten Stock.

Ihr Leben war in Gefahr. Jeder versuchte, zu fliehen.

Während der Gastgeber entfloh, warf er noch einen schnellen Blick auf den Zen-Meister. Der saß, ohne der geringsten Ängstlichkeit im Gesicht mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl, ganz genauso, wie er vorher dort gesessen hatte.

Der Gastgeber fühlte sich ein wenig schuldig und wie ein Feigling, denn es sah komisch für ihn aus, dass der Gast da blieb und der Gastgeber wegrannte.

Die anderen zwanzig Gäste waren alle die Treppen hinunter gelaufen. Obwohl er vor Angst zitterte, hielt er an und setzte sich neben den Meister.

Der Meister sitzt gelassen – trotz Erdbeben

Das Erdbeben kam und verschwand wieder. Der Meister öffnete die Augen und begann in seiner Unterhaltung fortzufahren, die er wegen des Erdbebens unterbrechen hatten müssen. Er fuhr genau mit dem gleichen Satz fort, so, als ob es das Erdbeben überhaupt nicht gegeben hätte.

Der Gastgeber war wirklich nicht in der Stimmung, ihm zuzuhören, denn sein ganzes Wesen war tief erschüttert und voller Angst. Obwohl das Erdbeben jetzt vorüber war, hatte er immer noch Angst.

Er bat den Meister, mit dem Sprechen aufzuhören.

„Ich kann dir nicht zuhören, ich bin nicht ich selbst. Das Erdbeben hat mich zu sehr erschüttert. Aber ich habe eine Frage an dich: Alle anderen Gäste sind geflüchtet, doch du bist so ungestört und so gelassen hier gesessen, dass ich mir wie ein Feigling vorkam. Wir alle versuchten, dem Beben zu entkommen. Was war mit dir?“

Bei Gefahr nach innen flüchten

Der Meister sagte:
„Ich flüchtete auch, doch ihr seid nach außen gerannt, ich bin nach innen geflüchtet. Eure Flucht macht keinen Sinn, denn wo auch immer ihr hingeht, da ist das Erdbeben. Ihr mögt den 6. Stock erreichen oder den 5. oder den 4… Doch überall bebt die Erde.

Ich bin dorthin geflüchtet, wo das Erdbeben niemals hinkommt, ja niemals hinkommen kann. Ich rannte in mein inneres Zentrum.“

Das ist, worauf Laotse hinweist, wenn er sagt:
„Halte dich am Urgrund der Stille fest.“

Wenn du passiv bist, dann wirst du dir nach und nach deines Zentrums bewusst werden. Du hast es schon immer mit dir getragen, es war immer da, du weißt es bloß nicht, du lenkst keine Aufmerksamkeit darauf.

Wenn dir die Stille einmal bewusst wird, dann verändert sich dein ganzes Leben. Dann kannst du in der Welt sein und dabei immer in Kontakt mit deinem Zentrum bleiben.

Du kannst dich in einem Erdbeben bewegen und völlig gelassen dabei sein, denn in deinem Zentrum bleibst du unberührt.

Osho, Zitat – Auszug aus Tao: The Three Treasures Vol.2 #1

Über Zentrierung

2 Kommentare

  • Liebe Samarpan,

    dieser Text kam heute zum richtigen Zeitpunkt. Das Erbeben war da und ich habe mich erst nach dem Außen gerichtet, dann jedoch den Weg nach innen gewählt. Dann kam Frieden und Stille. Danke für die Erinnerung.

    Liebe Grüße in deinen Tag.
    Maria

    • Das freut mich, liebe Maria, meiner Meinung geht es genau darum, mit den Weisheiten im eigenen Leben zu experimentieren. Dadurch wird das Leben so reich. Zumindest ist das meine Erfahrung mit dem Experimentieren. Alles Liebe dir
      Samarpan

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